Presse-Andachten
WORTE AUS DER KIRCHE 18. 10. 14
KERNKOMPETENZ
Das Kreuz, an dem Jesus Christus gestorben ist, bestand aus zwei Balken, einem senkrechten und einem waagerechten. Die kann man deuten als Symbole für die zwei Grundrichtungen des christlichen Glaubens. Der senkrechte Balken steht für die Beziehung zu Gott und der waagerechte für die Beziehung zum Mitmenschen. "Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen ... UND deinen Nächsten wie dich selbst." So lautet das wichtigste Gebot in der Bibel.
Die Kirchen sind bestrebt, dem Gebot der Nächstenliebe gerecht zu werden. Sie setzen sich ein für "die Menschen" und für eine bessere Welt. Frieden, Gerechtigkeit, Umweltschutz sind wichtige Themen. Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Pflegeheime usw. werden von ihnen unterhalten. Die haben meist einen guten Ruf. Die Bischöfe melden sich zu Wort in allen Fragen, die unsere Gesellschaft betreffen.
Das alles ist gut und richtig. Allerdings, mit diesen "waagerechten" Themen stehen die Kirchen nicht allein. Zahlreiche andere Organisationen kümmern sich ebenfalls darum: Parteien, Gewerkschaften, Volkshochschule, Kulturfabrik, Umweltschützer, Psychologen, Grabredner usw. usw. Sie alle suchen - mit ihren jeweiligen Kompetenzen - die zwischenmenschlichen Beziehungen zu fördern oder unser Leben zu verbessern. Hier gehören die Kirchen zur großen, bunten Schar all derer, die Lebenshilfe anbieten.
Bei den "senkrechten" Fragen ist das anders. Zwar findet man in fast jeder Zeitung Horoskope, doch die kann man getrost vergessen. Seriöse Auskünfte über unsere Beziehung zu Gott können nur die Kirchen geben. Der Reichtum des Gebetes, Schutz und Segen und Hilfe von Gott, Vergebung von Schuld, ewiges Leben nach dem Tod, die Bedeutung von Jesus Christus - in all diesen Fragen gibt es niemanden, der die Kirchen ersetzen könnte. Die Transzendenz, das Jenseits, die Ewigkeit, das Übernatürliche oder wie immer man diese Dimension nennen möchte - die "senkrechte" Beziehung zu Gott sollte die entscheidende Kernkompetenz der Kirchen sein.
"Es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt." Das wusste schon Goethe. Und genau deshalb brauchen wir Orientierung. Wir brauchen gewissermaßen ein spirituelles Navigationsgerät, um uns zurechtzufinden unter diesen verborgenen Dingen, die unsere Schulweisheit überfordern. Die Bibel sagt sinngemäß (Eph 1,16ff): Paulus betet, "dass ihr erkennen möget, zu welcher Hoffnung ihr berufen seid und welchen Reichtum an Herrlichkeit Gott uns anbietet und was da sei die überschwängliche Größe seiner Kraft." Gebe Gott, dass unsere Kirchen dieser Aufgabe gerecht werden.
Andreas Rau
Ev. Kirchgemeinde St. Marien, Haldensleben
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