Auf ein Wort / Lesepredigten
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Letzter Sonntag nach Epiphanias
Predigt am letzten Sonntag nach Epiphanias
2. Petrusbrief, 1, 16-19 // Evangelium Mt. 17, 1-9
Liebe Gemeinde!
Das wäre nun der perfekte Tag um auf dem Brocken zu sein und weit zu blicken in das verschneite Land und den Zauber und die Stille des Winters zu genießen.
Auch wenn das nun gerade nicht geht, so weiß ich wie es ist. Ich stand schon oben auf dem Berg, ja auf vielen Berggipfeln und jedes Mal stockt mir der Atem vor Bewunderung
Auf einem Berggipfel zu sein, ist fast wie über den Wolken und die Freiheit scheint grenzenlos zu sein, enthoben aller Ängste, aller Sorgen und was sonst so wichtig erscheint und Sorgen bereitet, bleibt zurück und ist klein.
Es ist ein wenig wie es Reinhard May besingt, der Erde enthoben, den Wolken ein Stück näher oder gar darüber.
Daran erinnert auch der Schreiber des Petrusbriefes. Geschrieben im Tal von einem, der sich auf die Erfahrung des Petrus beruft. Der Briefschreiber war offensichtlich gar nicht dabei, als Jesus Petrus, Jakobus, Johannes und dessen Bruder auf einen hohen Berg führte. Allerdings hat der Schreiber diese erzählte Erfahrung verinnerlicht und zwar so sehr, als wäre er selbst dabei gewesen. So erinnert der Brief an den Moment auf dem Berg, nimmt den Leser mit hinauf. Es ist der Berg, den sie später „Berg der Verklärung“, „heiligen Berg“ genannt haben. Er erinnert an die Verheißung und an ein großartiges Gefühl. Er erinnert an den Glauben und den Traum den sie gemeinsam hatten: Es wird alles anders werden, das Reich Gottes ist nahe, es ist so nahe, dass wir es alle noch erleben werden. Und diese Prophezeiung, so unterstreicht der Briefschreiber, ist kein Hirngespinst:
16 Denn (so heißt es in seinem Brief) wir sind nicht ausgeklügelten Fabeln gefolgt, als wir euch kundgetan haben die Kraft und das Kommen unseres Herrn Jesus Christus; sondern wir haben seine Herrlichkeit selber gesehen.
17 Denn er empfing von Gott, dem Vater, Ehre und Preis durch eine Stimme, die zu ihm kam von der großen Herrlichkeit: Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.
Und diese Stimme haben wir gehört vom Himmel kommen, als wir mit ihm waren auf dem heiligen Berge. 19 Umso fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.
Als diese Zeilen geschrieben wurden, konnten einige, vielleicht viele dieser Verheißung nicht mehr glauben. Zu lang liegt sie zurück, zu viele sind inzwischen gestorben, das Reich Gottes scheint eher in die Ferne gerückt zu sein.
Der Briefschreiber wusste um Skeptiker und legt dann noch im Folgenden nach: Gegen die Irrlehrer, im Grunde auch gegen alle Zweifler – es soll kein Zweifel daran bestehen, dass Gottes Reich kommt und das augenscheinliche Ausbleiben mindert die Verheißung nicht. Gott wird sie erfüllen.
So sehr ich den Enthusiasmus des Briefschreibers verstehen kann, muss ich doch dem Briefschreiber gegenüber einwenden: Halt, lass uns daran denken, dass es zu viele gibt, die deine Glaubenserfahrung und Deine Kraft nicht teilen können, die sie nicht hören können, zumindest jetzt nicht, nicht in ihrer Lebenssituation. Schau hin, sieh ihren Zweifel, sieh jene, die gerade einen lieben Menschen verloren haben, sie hin, sieh die Angst derer, die nicht wissen, was morgen kommt, sieh hin, vernimm die ängstliche Frage so vieler: Was wird werden?
Da reicht es doch nicht zu sagen, wartet nur ab, ihr werdet es schon sehen, das Reich Gottes, der Herr ist nahe. Ihr braucht euch nur das prophetische Wort vor Augen zu halten, es ist wie ein Licht, das scheint an einem dunklen Ort.
An dieser Stelle des Briefes denke ich, dass ich einen solchen Brief doch anders geschrieben hätte, heute anders schreiben würde. Ich hätte vielleicht versucht, die Leute mit auf den Berg hinauf zu nehmen, hätte versucht, ihnen Lust zu machen, mir gedanklich zu folgen, hätte versucht das Wort der Verheißung lebendig werden zu lassen.
Stellt euch vor, ihr wärt mit mir unterwegs hinauf durch den dichten Wald am Fuß des Berges und dann plötzlich erleben wir, wie mit einem mal, fast wie mit einem Lineal gezogen, die Bäume verschwunden sind und wir sehen endlich den Gipfel.
Es ist heiß, aber eine Quelle sprudelt aus einem Felsen. Wir trinken daraus und merken, so gut, so belebend hat Wasser lange nicht geschmeckt.
Dann gehen wir weiter, blicken zurück, sehen die Siedlungen schon in großer Ferne, können die Häuser kaum noch unterscheiden, gehen weiter und staunen, dass es gar nicht mehr so schwer ist, ja das in uns ein glückliches Gefühl aufkommt, es bis hier her geschafft zu haben und zugleich neugierig zu sein auf den Gipfel ganz oben – wie wird es sein, was werden wir von oben sehen?
Und dann sind wir oben. Alle Erwartungen sind übertroffen von dem, was sich uns da zeigt: Der Himmel soweit das Auge reicht und Berge und Täler und Wege, die wir nie vermutet hätten.
Alles ist weit und doch greifbar nahe und dann sitzen wir glücklich erschöpft und merken, wie es ist und das es geht, alle Sorgen und Unbilden des Lebens für einen Augenblick hinter sich zu lassen, etwas zu ahnen von der Größe und Schönheit, die Gott für uns bereit hat.
Und dann essen wir miteinander frisches Brot, eine dicke Scheibe Käse darauf und dann trinken wir das Wasser, das wir von der Quelle mitgenommen haben – so bekommen wir neue Kraft.
Ein Glücksgefühl durchströmt uns. Wir sehen mehr als wir gedacht hatten.
Ein Stück können wir so in die Zukunft sehen, ein Stück Zukunft, das uns Lust macht. Nein, es ist nicht nötig, jede Wegbiegung voraus zu sehen, es soll doch auch Überraschendes bleiben: eine kleine Quelle, ein unvermuteter Ausblick, eine Begegnung mit einem anderen Wanderer.
Wieder zurück im Tal haben wir das Gefühl eines guten Erschöpft seins und die Strapazen sind bald vergessen. Was lange Zeit bleibt, ist der Moment des Gipfels. Könnt ihr euch das vorstellen?
Wenn es euch noch zu schwer ist, oder wenn ihr gar nicht so gern an Bergaufstiege denkt, dann sucht euch doch eine andere Möglichkeit. Es gibt für jeden eine Möglichkeit, etwas hinter sich zu lassen, was das Leben schwer macht und eine Ermutigung zu finden. Ein jeder braucht so einen Ort der Ermutigung.
Vielleicht ist es ein Baum in dem Park vor der Haustür, vielleicht ist es mein alter hölzerner Stuhl und das Sitzen darauf und das Erleben der Dämmerung. Vielleicht ist es das Lesen eines Psalms.
So, liebe Gemeinde, würde ich an jemanden schreiben, der offensichtlich zweifelt, vielleicht verzweifelt ist und Ermutigung braucht und ich würde ihm raten: suche dir jemandem, der dir ein gutes Wort sagen kann, der dich mitnimmt.
Es gibt viele, denen es geht wie dir. Aber es gibt auch immer Menschen, die haben Kraft, wenn du keine hast. Es gibt immer Menschen, die haben Hoffnung und sehen Gutes, wo dir der Blick verschleiert ist.
Es gibt immer Menschen, die hören etwas, wo du nichts mehr hören kannst.
So kann doch ein anderer Mensch, der dir ein gutes Wort sagt, der dir zuhört, der dich mitnimmt vielleicht hinauf auf den Berg – ein solcher Mensch kann doch sein wie ein Licht das da scheint an einem dunklen Ort.
Ein Wort rührt einen Menschen an, der strahlt es selbst aus und es ist etwas sichtbar vom Reich Gottes in diesem Augenblick.
Freilich setzt das Voraus, dass du dich darauf einlassen willst, es setzt eine Kraftanstrengung voraus, ganz ohne geht es nicht.
Es muss nicht der Brockengipfel im Winter, noch irgend ein Berg sein, um ermutigende Erfahrungen zu machen, aber die Bereitschaft aufzustehen, loszugehen, eine andere, einen anderen zu suchen, gemeinsam den Weg suchen, die ist schon nötig.
Ja, ich weiß nicht genau was kommen wird, auf einiges werde ich mich einstellen können, anderes wird ungewiss, überraschend sein, aber immer kann ich auf die Erfahrung bauen, die andere gemacht haben.
Was soll ich den Israeliten sagen, wie ist dein Name – so fragt Mose auf dem Horeb Gott. Sage ihnen, mein Name ist: Ich bin da.
Und das haben sie erfahren die Israeliten und haben es ihren Kindern weitererzählt, für die so die Zusage Gottes eine Verheißung war wie ein Licht in der Finsternis. Und so will auch ich von dieser Verheißung weiter sagen und von meinen Erfahrungen. Der Stern leuchtet und zeigt uns den Weg, denn Gottes Zusage gilt durch die Zeiten von Jahr zu Jahr: Ich bin da. Amen.