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Predigt zu Lukas 13, 6-9
Liebe Gemeinde,
heute weiche ich von der Predigtreihe ab. Als Thema über diese wie auch einige andere Predigten in diesem Jahr habe ich Farben gewählt.
Scheinbar kein typisch biblisches Thema oder vielleicht doch?
In jedem Fall lassen sich dazu viele Predigten gestalten, wenn ich allein bedenke, dass auf dem PC allein durch Mischen der Farben rot grün blau 16 Millionen Farbkombinationen möglich sind.
Aber ich möchte mich begrenzen und mit einer beginnen. Dazu zuerst meine Frage, was ist Ihre/ deine Lieblingsfarbe?
Vielleicht hängt die Lieblingsfarbe ja mit Kindheitserfahrungen zusammen. Der erste Roller hat bei mir eine weinrote Farbe. Darum mag ich das besonders.
Obwohl mir blau genauso gut gefällt, wenn gleich das blau politisch etwas belastet ist.
Aktuell aber ist es eher die Farbe GRÜN die heute besonders in den Blick kommen soll. Nicht nur die Antependien sind grün, weil Trinitatiszeit ist, sondern es grünt überall. Sattes Grün, wohin ich schaue. Grün – Farbe der Hoffnung. Hoffnung überall – wohin ich schaue. Nein. Natürlich nicht. Viel zu viel Hoffnungslosigkeit. Das muss ich hier gar nicht konkret benennen. Sie/ Ihr alle habt das vor Augen. Umso mehr brauche ich das Grün der Hoffnung.
Und umso mehr brauche ich, brauchen wir alle Erzählungen und Bilder der Hoffnung.
Die Bibel ist voll davon. Ein solches Hoffnungsbild haben wir gerade mit dem Evangelium vernommen.
... was meinen Sie, wie könnte die Geschichte weiter gehen?
- Varianten: nach einem Jahr nochmal schauen, was geworden ist – und wenn sich nichts geändert hat, den Baum fällen?
oder noch ein Jahr warten?
zumindest fühlt man irgendwie mit dem Baum mit. Ja leben soll er und vielleicht wird er ja doch noch Frucht bringen. Das ist die Hoffnung. Und wenn nicht, dann ist es doch wenigstens der Schatten, der gut tut.
Aber reicht es aus, seiner eigentlichen Bestimmung im Grunde nicht zu entsprechen, sondern einfach nur da zu sein?
Das Bild des Feigenbaumes ließe sich natürlich auf ein Menschenleben projizieren:
Was wird aus dir nur werden. Wann wirst du endlich vernünftig? Von nichts kommt eben nichts. Du mußt dich auf den Hosenboden setzen, wenn du was erreichen willst! - Kennen Sie diese Sprüche? Nein sie sind nicht nur von meiner Mutter und deren Eltern, sondern von unser aller Eltern.
Es sind Sprüche, die anspornen sollen, etwas aus dem Leben zu machen.
Aber in bestimmten Lebensphasen, wo man selbst noch nicht weiß, was und wohin man eigentlich will und Zweifel hat, ob das ganze Streben überhaupt Sinn hat, in solchen Lebensphasen sind solche Sprüche nicht wirklich hilfreich.
Da brauche ich eher jemanden, der/ die sagt, laß ihn oder sie doch das eine Jahr, hab doch Geduld, sei doch gütig. Schau später, was aus geworden ist.
Genau diese Geduld, diese Güte, letztlich diese Ermutigung fehlt zu oft.
Erahnen lässt sich, wie es einem geht, der nicht in Sinn der üblichen gesellschaftlichen Erwartung erfolgreich ist, der kein fruchtbares Leben hinter sich hat, der vielleicht um das Leben täglich ringen muß, der auf der Straße liegt - wird der etwa zu einem Klassentreffen gehen, wenn alle von ihren beruflichen und familiären Erfolgen erzählen?
Es sind nicht nur die abschätzigen Blicke, die so einen treffen, es ist die Angst vor der Ächtung. Und Parolen mancher Wahlplakate tun das ihre dazu.
Und das Gleichnis vom Feigenbaum schlägt in die gleiche Kerbe?
N E I N! Nein ganz im Gegenteil!
Aufgeschrieben ist es von Lukas, erzählt und gepredigt wurde es nicht unter den Erfolgreichen um ihnen gar Bestätigung zu geben. In den ersten christlichen Gemeinden gab es keine Unternehmer, und nicht viele gesellschaftlich Erfolgreiche, eher Arme, Menschen aus der sozialen Unterschicht, Sklaven, Landstreicher, Minderbemittelte, kurzum Menschen, die die Befreiung suchten.
Menschen, die sich anstrengten aus Leibeskräften um überhaupt zu überleben, sie haben sich dieses Gleichnis weitererzählt und ausgelegt, versucht für sich zu verstehen.
Sollte es Angst machen, wenn schon nicht als Erfolgloser mit einem „verfehlten“ Leben so als Christ mit einem nicht genügenden Leben schließlich verworfen zu werden?
Gewiß, man könnte es so deuten, daß wir, die Gemeinde der Weinberg sind, daß ein einzelner, ein Feigenbaum sein könnte und Jesus als Gärtner Aufschub erbittet. Würde ich das Gleichnis so verstehen, so käme mir doch etwas Angstschweiß über den Rücken gelaufen.
Denn wo ist denn die Frucht meines Christseins. Wo ist denn das Ergebnis meiner Konfirmandenstunden?
Wo ist die Frucht unserer Gemeindearbeit, wo sieht man etwas von wachsender Gemeinde in unserem Land und dabei strengen wir uns so an. Werden wir schließlich verworfen, weil die Früchte ausbleiben? Wird sich die Sache mit unserer Kirche von selbst erledigen, wenn das so weiter geht?
Da könnte man doch ziemlich resignieren und sich vor dem Kommenden fürchten.
Gott aber will keine Furcht unter uns – denn die Furcht rechnet mit Strafe.
Und die Liebe treibt die Furcht aus.
Diese Gedanken aus dem 1. Johannesbrief sind bei mir hängen geblieben.
Und gemeint ist doch, dass ich auf das Leben eines anderen Menschen, das meiner Kinder sowieso mit Liebe blicken kann. Und die Liebe bedeutet immer Geduld und immer Hoffnung.
Und natürlich halte ich Ausschau nach Bildern der Hoffnung, nach dem was da grünt und wächst.
Und ich finde es. Großartige Erzähler sammeln die Hoffnunggeschichten.
Zum Beispiel diese:
Da sitzt er, Frank auf der Anklagebank. Zum zweiten mal wegen Bankraubes. Eigentlich verbüßte er gerade die erste Strafe. Er war vorbildlich, bekam Hafturlaub nach drei Jahren. Und gerade da hat er scheinbar nichts Besseres im Sinn, als gleich wieder in eine Bank zu marschieren und Geld zu erpressen. Als das schließlich schief geht, lässt er sich anstandslos verhaften. Der Fall scheint klar. Seine Geschichte aber ist eine ganz andere, als man vermuten könnte.
Als Säugling ausgesetzt wächst er bei Pflegeeltern auf, muss schwer arbeiten, der Vater ist gewalttätig. so lernt Frank mit Konflikten umzugehen.
Das bringt ihn schließlich irgendwann in eine verhängnisvolle Sackgasse. Er schuldet Geld. Er versucht das über einen Bankraub zu regeln. Kann gerade noch flüchten. Nur weg denkt er. Weit weg. Er steigt in den nächst besten Flieger. Addis Abeba in Äthiopien. Dort setzt er sich in einen Bus und steigt um und fährt so immer weiter. Am Ende strandet er im Nirgendwo. Fast gestorben, wird er von Dorfbewohnern gerettet. Frank lebt fortan in diesem einsamen Bergdorf, arbeitet an der Seite von Kaffeebauern, rührt das erbeutete Geld nicht an. Nein, neu anfangen will er, neu beginnen. Und es gelingt ihm.
Er selbst wird ein ganz anderer, geläutert lernt die Sprache der Äthiopier, wird im Dorf geachtet, findet seinen Platz, verliebt sich, heiratet, bekommt ein Kind – ein neues Leben.
Doch das alte holt ihn eines Tages ein. Der deutsche Haftbefehl gilt. Er wird überführt, verurteilt. Drei Jahre in denen er nichts anderes denken kann, als zurück zu seiner Familie in dieses andere Leben. Der Hafturlaub bringt die vermeintliche Chance.
Das alles muss man wissen, will man diesen Menschen und seine seelische Verfassung verstehen und sich ein Urteil bilden. Eine großartige Geschichte von Ferdinand von Schirarch über die Hoffnung, dass immer noch etwas zu erwarten ist, sich immer noch etwas ändern kann. Eine so kraftvolle Geschichte, dass in diesem Fall Staatsanwalt und Richterin gegen alle ihre eignen Vorsätze Gnade vor Recht ergehen lassen.
Man sieht am Ende Frank zurück in seinem Dorf in seiner Familie, umarmt von allen. Er nimmt die äthiopische Staatsbürgerschaft an. Frank hat mit seiner Geschichte einen Platz in der Sammlung von Hoffnungserzählungen. Erzählungen, die wir alle brauchen.
Mitunter geschieht es, dass wenn ich fast nicht mehr glaube, eine Frucht zu sehen, das Wunder geschieht.
Und das Wunder ist GRÜN.
Amen.