Auf ein Wort / Lesepredigten
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Predigt zu Prediger Salomo 3,1-15
Es sind die alten ziemlich verfallenen Mietshäuser im Berlin der 70iger Jahre zu sehen, die gesprengt werden und die dahinter erstehenden neue modernen Wohnblöcke. Eine neue Zeit beginnt. Paula schleppt noch Kohlen, Paul ist in sie verliebt, obwohl es eigentlich eine verbotene Liebe ist. Dann ist die Liebe doch stärker, aber am Ende stirbt Paula. Es gibt kein Happy End.
Wer den Film, die Legende von Paul und Paula von Ulrich Plenzdorf und die für diesen Film entstandene Musik der Puhdys kennt, hat auch diese Bilder vor Augen. Erst recht, wenn man wie ich in den 70igren jung war und an eine bessere Welt glaubte, den Sozialismus im Grunde für eine bessere Möglichkeit hielt, durchaus naiv war – Gott sei Dank … und so grundsätzlich optimistisch.
Inzwischen werden die Neubauten von damals wieder zurück gebaut, abgerissen. Dahinter entstehen neuen Bürohäuser und Einkaufspassagen.
Menschen verlieben sich ineinander, sind in Beziehungen, auch in schwierigen oder gar verbotenen, mindestens von der Gesellschaft beargwöhnten. Liebe erfüllt sich und erfüllt sich nicht.
Irgendwann werden die Glitzerfassaden von heute wieder abgerissen,
Altes wird Neuem weichen …
Es wird das eine vergehen und anderes werden.
Ich selbst kann in den mir vorgegebenen Räumen das eine tun, das andere lassen – vieles geschieht auch ohne mein Zutun, es geschieht einfach: geboren werden, sterben; töten, heilen; lieben, hassen…
Das ist die Einsicht des Predigers und soll zu unserer eigenen Einsicht in die eher begrenzten menschlichen Möglichkeiten sein.
Und doch sind es trotz aller Begrenzungen unzählbare Möglichkeiten, die das Leben bereithält.
Sie, ich, wir brauchen nur in unser Inneres schauen, was alles gewesen ist, allein in dem zurück liegenden Jahr:
Sie haben Geburtstag gefeiert, waren vielleicht mit ihrer Familie zusammen, haben im Garten, im Park oder irgendwo in der Frühlingssonne gesessen, haben eine gute Freundin, einen guten Freund besucht, haben vielleicht Urlaub gehabt, waren wandern…
Ich hatte fünf aufregende und ziemlich anstrengende Wochen in Tansania und habe viele neue Menschenkennen gelernt, habe neue Kolleginnen, wir haben gesungen in der Kantorei und zuletzt Weihnachten gefeiert.
Ja, manches ist auch offengeblieben, hat sich nicht erfüllt und es gab auch enttäuschendes.
Und jetzt könnten Sie gar für wenige Augenblicke noch tiefer in Ihr Inneres schauen, und erblicken, was alles in den vielen vergangenen Jahren gewesen ist – unzählbare Momente, viele des Glücks, manche des Leids – jegliches hat seine Zeit.
Und das ist nicht auf die Vergangenheit beschränkt, sondern gilt für heute und alle Zukunft:
Wen ich in mich scheue, kann ich sogar sehen, was noch nicht ist, aber werden kann: manches kann gepflanzt werden in unserem Garten,
manches werde ich entdecken, von manchem überrascht werden, manch neue Menschen, Lieder, Orte kennen lernen.
Ich könnte Klavier spielen lernen oder Dudelsack, könnte auf einen hohen Berg steigen, könnte eine Woche fasten oder schweigen, könnte einen alten Freund besuchen, einen anderen Menschen mit einem Geschenk überraschen, mich mit jemandem aussöhnen, eine neue Arbeit beginnen.
In den mir gegebenen Grenzen bin ich, sind wir alle für unsere Zukunft mit verantwortlich.
Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat – so der Prediger.
Ja, ich kann sehen die Arbeit, das Schöne, die Liebe, die Lust und den Genuss – all das Gewesene und all das mögliche.
Er hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er alle Ewigkeit in des Menschen Herz gelegt. Nur dass der Mensch nicht ergründen kann, das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.
Das ist eine nüchterne Erkenntnis, die der Aufzählung des Möglichen folgt. Es ist die Erkenntnis, dass ich am Ende doch nicht den Grund allen Seins erkenne oder gar das Sein, das Gewesene festhalten kann.
Ja, was wird mit all dem sein, das gewesen ist und mit dem Kommenden, das auch eines Tages wieder Vergangenheit ist?
Was wird mit mir selbst sein? Bin ich am Ende durch den Tod verloren?
Was wird sein?
Ich kann es sehen. Der Prediger will mir die Augen öffnen. Ich bleibe hängen an diesem Gedanken:
Alles hat seine – Gottes Zeit – und Gott holt wieder hervor, was vergangen ist.
Gott holt hervor, hebt es auf, was ich für verloren glaube.
Kann ich darauf vertrauen, gerade in Anbetracht des Vergehens?
Ich möchte es tun heute am Ende des Jahres mehr denn je.
Ich kann und ich will vertrauen, dass Gott hervorholt, aufhebt, ja erwählt, gerade das, was verloren scheint. Es gibt beredte Beispiele, die mir zeigen, Gott holt genau das hervor, was verloren ist, die Verlorenen, die Verfolgten, die sucht Gott und stellt sich an ihre Seite:
Abel wurde von Kain verfolgt, aber Gott erwählte ihn.
Isaak wurde von den Philistern verfolgt, aber Gott erwählte ihn.
Jakob wurde von Esau verfolgt, aber Gott erwählte ihn.
Mose wurde vom Pharao verfolgt, aber Gott erwählte ihn
David wurde von Saul verfolgt, aber Gott erwählte ihn
Israel wurde von den Völkern verfolgt, aber Gott erwählte es
Die Zöllner, die Ehebrecherin, die Aussätzigen, die Gelähmten, die Sprachlosen, Tauben und Stummen suchte Jesus auf. Sie wurden von ihm erwählt.
Und so glaube ich, dass auch Sie und ich obwohl wir eines Tages sterben, erwählt sind zum Leben. Und so wie ich das glaube, will ich die Zeit, jede Minute die geschenkt ist zum Leben nutzen und Sie und Euch ermutigen: Tut es ebenso!
Lacht und weint, pflanzt, liebt, sucht, redet und schweigt, streitet und sucht den Frieden, esst, trinkt, tanzt, seid fröhlich, lebt!
Und: preist das Leben, das hart ist und schwer aber auch so unendlich reich und erfüllt. Preiset das Leben und Gott für das Leben. Heute, in dieser Nacht und jeden Morgen neu.
Amen.