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Letzter So. nach Epiphanias 2024
Predigt zu 2. Korinther 4, 6ff
Liebe Gemeinde,
Weihnachten war die Welt noch in Ordnung. Nein, das stimmt natürlich nicht. Aber es schien so. Es scheint mir jeden morgen noch so, wenn ich das milde Licht unseres Schwibbogens leuchten sehe, die Kerze auf dem Küchentisch entzünde und das Radio nicht anschalte.
Am liebsten würde ich es so belassen, möchte gerade, dass die Weihnachtszeit nicht zu Ende geht und ich kann Petrus, von dem in der Evangelienlesung zu hören war verstehen. Dort, wo es mir, meiner Seele gut geht, wo alles heil zu sein scheint, wo Licht ist, möchte ich verweilen.
Wie wenig heilvoll sogar das ist, von dem ich und viele Menschen glaubten, dass es zumindest heilvoller ist und Schutz bietet für die Schutzlosen, davon mussten wir jüngst in den Tagesnachrichten Kenntnis nehmen. Die Rede ist von unserer, der protestantischen Kirche in der es offenbar so viel Missbrauch gab. Und damit ist nicht gemeint verliebt in den Pfarrer oder die Pfarrerin oder umgekehrt, sondern der vielfache sexuelle Missbrauch durch ein Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Kindern oder Jugendlichen.
Unter dem Eindruck dieser Nachrichten bin ich nun heute am letzten Sonntag nach Epiphanias ausgerechnet mit einem Briefabschnitt des Apostels Paulus konfrontiert. Paulus, einst Offizier in römischen Diensten, später Christ geworden und eifernder Missionar ist gerade dabei in diesem Brief seine Missionstätigkeit den Christen in Korinth gegenüber zu rechtfertigen.
Ich hätte mir für heute keinen Brief des Paulus ausgesucht, erst recht nicht, wenn ich schon in dem ersten Satz lese:
Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, daß durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.
Ja, denke ich, was für ein schöner, was für ein poetischer Gedanke. Und sogleich bin ich in Gedanken bei der Musik des Weihnachtsfestes, welche wunderbare Ausstrahlung sie hat, denke daran, wie viel Menschen doch irgendwie und sei es nur gefühlsmäßig angesprochen sind ….
Auch wenn Paulus das Weihnachtsfest nicht kannte, so sind aus seinen Worten doch mit glühender Feder geschriebene Sätze entstanden, die keinen Zweifel daran lassen sollen, dass die Nachricht von Gottes Licht in dieser Welt in Jesus, dem Messias zu sehen ist. Was den Jüngern an Erkenntnis widerfahren ist, hat auch Paulus erkannt. Und es ist ein Schatz, den er in seinem Herzen bewahrt.
Und dann lese ich weiter und bin wieder ernüchtert, wie ich es schon erahnt hatte:
7 Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.
8 Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.
Mit anderen Worten: Auch wenn wir bedrängt sind gar durch die jüngsten berechtigten Vorwürfe, bedrängt sind durch ein Gefühl der Ohnmacht, gar der Bedrängnis erliegen, sollen Christen nicht verzweifeln, sollen sich darauf besinnen, dass ihr Leben zerbrechlich ist und das Gott es ist, der ihnen Kraft verleiht.
In diesem Glauben, mit dieser Botschaft sind seither Missionare ausgezogen, haben mit gutem Gewissen Menschen eine Botschaft der Hoffnung bringen wollen.
Und was haben sie ihnen gebracht – ich habe es neulich auch erst erwähnen müssen:
neben dem Licht Jesu, neben Glauben und Hoffnung auch eine Unrechtsgeschichte. Eine Unrechtsgeschichte eben nicht nur im Hinblick auf die Kolonisierung, sondern wie aktuell deutlich wird, auch eine Unrechtsgeschichte gegenüber vielen Menschen, die angesprochen waren von dem Glauben an den in der Kirche verkündeten Gott des Heils und die dann soviel Unheil erfahren mussten.
Diese Unrechtsgeschichte darf nicht verschwiegen werden. Und ich bin wieder in fataler Weise erinnert an meinen Geschichtsunterricht bei Frau Schulze.
Sie war ja im Grunde eine gute und gerechte Lehrerin bis zu jener Geschichtsstunde, als es um deutsche Kolonien ging und um Missionare.
Da bekam ich einen roten Kopf, als sie sagte, die aus der Klasse, die an Gott glauben, sollten sich melden.
Ich meldete mich nicht zuerst, sondern Heidi, die war katholisch und bekam auch einen roten Kopf. Dann meldete ich mich.
Wir waren zwei von 28.
Und dann sagte Frau Schulze, dass immer mehr die an Gott geglaubt haben, inzwischen ihren Irrtum einsehen und dass die Gerechtigkeit auf der Erde nicht von Gott kommt. Gerechtigkeit sei allein von der revolutionären Kraft der Arbeiterklasse zu erwarten.
Die große sozialistische Oktoberrevolution hat die Welt verändert, nicht Gott.
Ganz Unrecht hatte sie ja nicht, zumindest wenn man an die Wirkung der Revolution denkt. Und ich glaubte ja auch an den Sozialismus und fand die Ausbeutung der Armen und die Rassendiskriminierung in den USA und dass sie Angela Davis umbringen wollten abscheulich.
Eigentlich fand ich immer, dass das was Jesus wollte, doch auch Marx und Lenin wollten und ich konnte gar nicht verstehen, warum die was gegen die Christen hatten. Was hatten die Schulze eigentlich gegen Jesus
In Geschichte sagte sie, dass die Kirche die Armen immer nur unterdrückt hatte. Das konnte ich gar nicht glauben. Ich habe doch in der Christenlehre von Jesus erfahren als einem, der den Armen hilft und den Schwachen beisteht.
Jahre liegt das alles zurück und inzwischen hat sich ja alles aufgeklärt.
Frau Schulze hat nun nach über dreißig Jahren sicher einsehen müssen, dass ihr Sozialismus ein Irrtum war.
Dennoch vermute ich, dass sie sich nicht der Kirche zugewandt hat.
Eher resigniert und vielleicht auch verbittert wird sie die Entwicklung der letzten Jahre verfolgt haben. Und wenn sie die Nachrichten gehört hat, wird sie sich womöglich in fataler Weise bestätigt fühlen.
Enttäuschung, Verbitterung, Ohnmacht – ist das übrig von jenem Traum derer, die auf bessere Verhältnisse hoffen. Wo ist Gott, den Christen als allmächtig bekennen, als barmherzig, als Halt und Hort? - Das könnte Frau Schulze mich heute fragen.
Ich müsste eingestehen, dass es keine schnelle Antwort gibt. Ich müsste ihr meine Skepsis eingestehen, die auch ich habe in Anbetracht des grenzenlosen Leids.
Wo ist Gott? Vielleicht könnte ich heute nur sagen: Gott wird verwundet, gefangen, missbraucht in jedem, der in den Kriegen verwundet, gefangen, getötet wird, der vor Krankenhäusern auf Hilfe wartet, der oder die Opfer von Begierden geworden ist. Gott weint mit jedem weinenden Kind, leidet in jedem Leidenden.
Und wenn ich sterbe, stirbt ein Teil von Gott.
Aber Gott steht auch dafür ein, dass ich nicht im Tod bleibe.
Diesen Gedanken glaube ich, teile ich mit Paulus, denn er schreibt schließlich:
V10a Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.
Wenn dieser Satz des Apostels mir heute im Anblick des Leids etwas sagen kann, doch dann das, dass durch das Leid auch der leidende Gott erkennbar wird und nach Gerechtigkeit und Wiedergutmachung ruft.
Und das kann, ja muss, denke ich, auch durch uns und in unserer Kirche geschehen. Wie, so frage ich mich und viele fragen sich das.
Ich denke, dass wir rasch ein System von Hierarchie und Machtgefälle ändern müssen. Ich denke, wir brauchen keine Pfarrerinnen oder Pfarrer die sich dünken, etwas Besseres zu sein. Wir brauchen keine kirchlichen Amtsträger, die sich Kreuze umhängen um dem Amt scheinbar mehr Würde zu verleihen.
Wir brauchen Menschen in den Ämtern unserer Kirche, die demütig und mutig versuchen etwas von Christus auszustrahlen.
Und so glaube ich, dass Gott auch in all jenen Menschen offenbar wird, die sich erbarmen, die jammert, die sich aufmachen, die etwas geben, die beten, die versuchen, den Weg der Gerechtigkeit zu gehen? Ich glaube, bei all jenen scheint etwas von Gott durch, wird etwas von Gottes Heilswillen sichtbar.
Und davon sollten wir erzählen. Wir sollten erzählen von Menschen, die wie Jesus Lichtgestalten sind oder waren.
Von Rabbi Jaakob JIzchak aus Lublin, einem Gerechten z.B., geht die Geschichte, er habe einmal einen hellen Schein aus einem Schtiebl zum Himmel aufsteigen sehen. Als er eintrat, um die Ursache dafür zu ergründen, stieß er auf einen Kreis von Chassidim, also frommen, selbstlosen Juden, die einander Geschichten von ihrem Rabbi erzählten.