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Predigt zu Sacharja 8, 20-23
Liebe Gemeinde,
so könnte es doch werden, so könnte es sein, sagen wir mal im Jahr 2124.
Das Stadtbild von Haldensleben hat sich ein wenig verändert. Die Straßen sind Autofrei und wo früher Straßen waren, sind Wege gesäumt mit grünen Rabatten. Ganz Haldensleben gleicht einem großen Garten. Es gibt aber jede viele kleine Kabinenroller, die nutzbar sind von jedem, der nicht mehr gut zu Fuß ist. Und am Rande der Innenstadt gibt es in kurzen Abständen Nahverkehrsbverbindungen in alle Himmelsrichtungen.
Und die Menschen sitzen in Cafés von denen es zahlreiche gibt.
Man sieht vielen an, dass ihre Eltern oder besser Großeltern nicht hier geboren wurden, aber danach schaut niemand mehr.
Ein kleines Detail, was aber erst bei genauerem Blick auffällt ist dies:
Auf der St. Marienkirche sieht der Besucher nicht mehr nur das große golden leuchtende Kreuz, sondern eine leuchtende neue Wetterfahne. Gestaltet von einer Künstlergruppe ist es gelungen, Kreuz, Davidsstern und Halbmond miteinander/ ineinander verschränkt sichtbar zu machen. Aber das ist nur ein Detail auf der Kirchturmspitze.
Ich stelle mir vor, ich gehe also durch dieses Haldensleben im Jahr 2024 und betrete dieses mir eigentlich so vertraute alte Kirchengebäude.
Gleich im Eingangsbereich steht in mehreren Sprachen zu lesen: Schön, dass du da bist. Genieße den Ort, begegne anderen, wenn du magst und dem Ewigen sowieso. Der eine Gott, hört dir zu, wenn du etwas auf dem Herzen hast.
Ich fühle mich willkommen. Und das noch mehr, nachdem ich einige Menschen zusammen sitzen sehe ein Teeglas vor sich, manche eine Kaffeetasse und an der Seite eine kleine Bar mich Kuchen darauf. Der Duft steigt mir in die Nase.
Doch ich möchte mir zuerst die Hände waschen, mich etwas erfrischen.
In den Sanitärräumen sehe ich Menschen, die sich die Füße waschen. Und in einem Regal stehen Schuhe in allerlei Größen.
Ach ja, jetzt verstehe ich. Manche ziehen vor Ehrfurcht vor dem Ewigen ihre Schuhe aus und reinigen sich.
Das ist bestimmt etwas kühl an den Füßen?
Dann als ich den Kirchenraum wieder betrete fällt es mir auf: Fast überall wärmender Teppichboden.
Bevor ich das Kaffeeangebot annehme, bin ich doch neugierig, was das für ein veränderter Ort ist. Ich gehe durch den Mittelgang, schaue auf den Fußboden und lese eine projizierte Schrift darauf: Du wandelst in den Spuren der Mütter und Väter. Es sind die Spuren Sarahs und Abrahams, Isaaks und Ismaels.
Es sind die Spuren Jesu, die Spuren Mohameds, die Spuren Rabbi Askibas, … mit jedem Schritt tauchen neue Namen auf.
Am Ende des Rundweges lese ich: Du hinterlässt deine eigenen Spuren.
Jetzt bin ich schon einmal rundherum gegangen und habe fasziniert auf den Boden geschaut, dabei gibt es soviel Überraschendes zu sehen:
An der Kanzel steht Mose, er weist auf eine Schrift: Ich bin der aus dem Wasser Herausgezogene. Ich habe mein Volk aus der Gefangenschaft herausgezogen. Aus welcher Gefangenschaft willst du befreit werden?
Abermals gehe ich nach vorn und sehe ein Wasserbecken in den Fußboden eingelassen, in das man hineinsteigen kann.
„Tritt gereinigt vor den Ewigen. Feiere den Sabbat“, so höre ich eine freundliche Stimme.
In der Apsis kein Altarbild. Ich weiß nicht was mit dem barocken Bildnis geschehen ist. Vielleicht war es nicht zu erhalten, vielleicht ist es in einem Museum. Vielleicht hat man sich bewusst entschieden, darauf zu verzichten. Stattdessen stehen in einer gläsernen Vitrine die Thorarollen, daneben der Koran, daneben die hebräische und die christliche Bibel.
Darüber steht zu lesen: Worte des Ewigen für alle.
Über dem schwebt ein Art Dach, geformt wie das Dach einer Pagode.
Jetzt erst sehe ich an der Seite einige Leute sitzen, die in Büchern lesen und leise angeregt im Gespräch sind.
Ich gehe seitlich vorbei und sehe durch die geöffnete Seitentür hinaus in einen wunderbaren Garten. Es plätschert ein Springbrunnen. Mich zieht es hinaus. Alles was hier wächst, ist liebevoll gepflegt. Es liegen Kissen auf niedrigen Bänken und laden ein Platz zu nehmen.
Ich suche an einem kleinen Tisch einen Platz und werde freundlich eingeladen. Tee oder Kaffee, etwas Süßes dazu, bekomme ich angeboten.
Gern nehme ich an.
Ich frage: Sind sie Muslima? In diesem Augenblick merke ich wie unangebracht die Frage doch ist. Mein gegenüber sagt: Ist das wichtig? Ich bin eine Suchende, wie viele hier Suchende sind und du selbst suchender bist. Suche Gott die Ewige/ den Ewigen und du wirst das Leben finden.
Ja, denke ich, sie hat recht. Ich bin ein Suchender und hier ist vielleicht ein Ort mit Menschen und mit Gott, wo ich etwas finden kann.
… so könnte es sein, liebe Gemeinde – in vielleicht hundert Jahren. So könnte es werden, wenn die Menschen das ewige Streiten, Krieg und Feindschaft leid sind, wenn sich Menschen aufmachen, aufbrechen und nicht mehr sagen: ich habe die alleinige Wahrheit gefunden, sondern wir alle suchen Gott den/die Eine und Ewige.
Denn steht nicht geschrieben: Gott ist für uns °Gott, einzig und allein Gott ist Gott. 30So liebe denn Gott, °Gottheit für dich, mit °Herz und Verstand, mit jedem °Atemzug, mit aller Kraft. 31Das zweitwichtigste Gebot lautet: Liebe deine Nächste und deinen Nächsten, wie du dich selbst liebst. (Üss. Bibel in gerechter Sprache)
Gewiss sieht es heute in Anbetracht einer feindseligen Bedrohung im nahen Osten wo es Auge um Auge, Zahn um Zahn zu gehen scheint eher unrealistisch von etwas friedlichem Neuen zu sprechen. Es scheint utopisch auch in Anbetracht der Anfeindungen der Juden hierzulande. Es scheint undenkbar, dass all die Feindschaft, der Hass, das Unverständnis, das Trennende überwindbar ist.
Umso mehr brauchen wir solche Texte, wie den des Sacharja der zu allerkühnsten Hoffnungen aufruft:
So spricht der HERR Zebaoth: Es werden noch Völker kommen und Bürger vieler Städte, 21 und die Bürger der einen Stadt werden zur andern gehen und sagen: Lasst uns gehen, den HERRN anzuflehen und zu suchen den HERRN Zebaoth; wir wollen mit euch gehen. 22 So werden viele Völker und mächtige Nationen kommen, den HERRN Zebaoth in Jerusalem zu suchen und den HERRN anzuflehen. 23 So spricht der HERR Zebaoth: Zu jener Zeit werden zehn Männer aus allen Sprachen der Völker einen jüdischen Mann beim Zipfel seines Gewandes ergreifen und sagen: Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben gehört, dass Gott mit euch ist. …
Es ist der Text eines großen Aufbruchs der Menschen. Und Ziel dieses Aufbruchs ist nichts Geringeres als ein umfassender universaler Frieden zwischen allen Religionen. Es ist die gemeinsame Suche und Anbetung des einen Gottes, der Mutter und Vater aller, Ursprung und Ziel des Lebens ist.
Lasst uns aufbrechen. Amen.