Auf ein Wort / Lesepredigten
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Predigt zu Jesaja 55,6ff
Liebe Gemeinde!
Sprache ist Hoffnung, gehört zu werden.
Das las ich über einer Predigtmeditation.
Das hat mir geholfen, überhaupt Worte zu finden für eine sprachlosmachende Katastrophe wie sie sich in Syrien und der Türkei gerade abspielte und abspielt.
Solange Worte zu hören sind, gibt es Hoffnung. Das galt für die Verschütteten im wahrsten Sinne des Wortes. Das gilt aber auch grundsätzlich.
Es gibt begründete Hoffnung! Die Gründe finde ich in der Geschichte der Menschheit und beim Lesen unseres Textes aus dem Buch des Propheten Jesaja insbesondere in der Geschichte der Israeliten, eines geknechteten Volkes. Sie waren für Generationen (fast 60 Jahre) im babylonischen Exil. Wobei Exil nach gewähltem Fluchthort klingt. Es waren aber Deportierte, die zwangsweise ihre Heimat, ihr früheres Leben verloren. Diese Menschen hatten dennoch über all die Zeit hinweg und das heißt über Generationen hinweg Hoffnung. Sie hatten Hoffnung auf Befreiung, auf Rückkehr.
Und diese Hoffnung bekommt durch das Wort des Propheten einen starken Impuls.
Gott meldet sich zu Wort. Zunächst geschieht Gottes Zuwortmelden durch den Propheten als ein Aufruf zur Suche. Suchet den Herrn, solange er zu finden ist. (da er zu finden ist). Sucht mich, so werdet ihr Leben. (Amos 5,4 - Kirchentagslosung 1979 mitten in der DDR!) Daran bin ich auch erinnert. Mit der Suche ist Leben und dam,it Neuanfang verbunden.
Was hier durch den Propheten gesagt wird, ist also kein Wort im Sinne eines Vertröstens. Denn weder damals noch heute, weder in Babylon noch in Aleppo noch in Alatya… sollten wir meinen, dass das Geschehene in irgendeiner Weise Gottes Weltplan entspräche, den zu erfassen wir nur zu beschränkt sind. Gern wird das so von manchen gepredigt, von manchem geglaubt. Ich kann es sogar nachvollziehen, dass so etwas zu glauben hilft. ES ist einfach, weil es eine einfache Lösung des Dilemmas darstellt. Und das Wort Gottes in unserem Text scheint das zu bestärken: Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, 9 sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.
Das ist aber für mich keine akzeptable Antwort auf die Katastrophe, keine Antwort die mir hilft im Blick auf das unendliche Leid.
Und auch die Antwort der theologischen Überlegungen helfen mir nur begrenzt. Wenn etwa Gottfried Wilhelm Leibniz erklärt: Wir leben in der besten aller Welten. Und das heißt, die Welt muss zwangsläufig unvollkommen sein, also mit Leid behaftet, denn wenn die Welt ohne Leid, ohne Katastrophen, ohne Tod wäre, wäre sie absolut heil voll. Und so vollkommen heil voll ist nur Gott selbst. Warum also sollte Gott eine heile Welt schaffen, wenn Gott damit sich quasi verdoppeln würde? Ja, das ist logisch von menschlichem Denken her, so logisch wie eine mathematische Beweisführung. Aber auch das hilft den Betroffenen nicht wirklich über das unermessliche Leid hinweg.
Umso mehr suche ich nach Gott, nach Gottes Antwort.
Die Aufforderung des Propheten zur Gottsuche galt einst den Israeliten in der Fremde. Durch Jesus, so glaube auch ich, gilt sie allen Christenmenschen. Und in Jesus sehe ich auch eine Antwort Gottes und wenn ich genauer darüber nachdenke, auch in den Worten Gottes durch Jesaja gesprochen.
Und so begebe ich mich auf die Suche. Ich lese nochmal in unseren Text:
Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, 11 so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende.
Das Wort wird nicht leer zurückkommen … es hinterlässt Spuren.
Spuren in mir, in jedem der es vernimmt, in der Menschheit.
Gottes Spuren sind in der Menschheitsgeschichte als Auswirkungen des Wortes Gottes zu finden.
Überall sind diese Wortspuren zu finden nicht zuletzt in der
Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte:
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.
Ich denke, dass diese zentrale Präambel und die darin verankerte Geschwisterlichkeit, also das friedliche und wo nötig helfende Miteinander ihren Ursprung in Gottes Wort hat, wie es in der Bibel, gewiss auch im Koran und in anderen heiligen Schriften der Menschheit zu finden ist.
Gedanken Gottes die sind Gedanken des Friedens und nicht des Leids, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung – so Gottes Worte bei Jeremia. Diese Worte und Gedanken fallen in menschliche Herzen und sie sind nicht einfach nur für gottesdienstlichen Gebrauch bestimmt.
Sie wollen wirken in dieser geschundenen Welt.
und Jesus hat es in bislang einzigartiger Weise vorgelebt, was es bedeutet als Mensch zu leben, einander zu erbarmen.
Und so geschieht es durch die Zeiten. Menschen machen sich auf den Weg. Ich sehe neben den Bildern des Leids die Bilder des Erbarmens. Ich, wir alle sehen, wie Menschen einander versuchen zu helfen, zu trösten, einander beizustehen. …
Und so finde ich Gottes Wort gelebt durch Jesus Christus und in den vielen Menschen, die Gemeinschaft und Solidarität zeigen.
So wird sichtbar, wie der Samen Gottes aufgeht.
Das sind Sternstunden der Menschlichkeit. Und diese Sternstunden gilt es zu bewahren und zu mehren. Und es wird sie immer wieder geben.
So wird das Wort Gottes gelingen, wozu Gott es sendet.
Was das Volk Israel anbelangt, so lautet die Verheißung, die unmittelbare Ansage Gottes durch den Propheten Jesaja:
Ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Jauchzen und alle Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen.
Was für eine Verheißung, was für ein Bild!
Es ist nichts Geringeres als die Verheißung Gottes für die geschundene Menschheit, für die Heimatverlorenen zu allen Zeiten.
Es ist die Verheißung eines Neuanfangs.
Berge, die gerade noch einstürzten sollen frohlocken, Bäume in die Hände klatschen. So sehe ich über der geschundenen Erde den Frühling heraufziehen und sehe es blühen. Gott steht dafür ein. Und wir Menschen sollen das unsere tun, nämlich das menschenmögliche an Solidarität aneinander und an der Mitschöpfung. So wird der Frühling auch die Herzen erreichen.
So wird vielleicht gar aus all diesem Leid dann doch etwas Gutes erwachsen, nämlich es könnte, es soll sein, dass die Feindschaft und der Krieg überwunden werden. Das, so glaube ich, ist der Wille Gottes und der soll in dieser Welt und unter uns geschehen. Amen.