Auf ein Wort / Lesepredigten
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Predigt zu Lukas 7, 36-50
Liebe Gemeinde!
Der heutige Predigttext führt mir/ uns allen vor Augen wie wir sind:
Wir urteilen recht häufig, recht schnell über andere,
wir schreiben uns recht schnell zu richtig zu liegen, das richtige zu denken und zu tun, meinen zu wissen was moralisch und was unmoralisch, also verwerflich sei.
Und bei dem vorgelegten Text, in der Lutherbibel überschrieben mit „Jesus und die Sünderin“ lässt sich vortrefflich an so eine, wie von mir gerade erzähle Episode denken, die natürlich frei erfunden war.
In dem Text wird zwar von einer Sünderin gesprochen, jedoch in keiner Weise erwähnt, um welche Art der Sünde es sich handelt.
Ganz zu schweigen davon, was Menschen zu welchen Zeiten unter Sünde verstanden haben.
So will ich auf diese Frau schauen, will sehen, was sie mir zeigt.
Sie zeigt mir, dass sie mutig ist. Sie ist im Hause dieses Mannes, der als Pharisäer, als Mann der Religion und somit als Vorbild gezeigt wird.
Sie weiß darum, wie er und vermutlich andere über sie denken, wie abschätzig wohl ihre Blicke auf sie waren, aber sie lässt sich nicht beirren.
Sie will diesem Jesus begegnen. Sie hat von ihm gehört, weiß darum, wie er verehrt wird, weiß, wie einfach er lebt, wie gerecht er den Menschen begegnen möchte, ahnt, wie anstrengend so ein Leben als Wanderprediger ist, von dem alle irgendetwas erwarten. Und vielleicht will sie für einen Augenblick wenigstens diesem Mann ebenso gerecht begegnen. Und wie macht sie das? Sie versucht ihm etwas Gutes zu tun, etwas wofür der Hausherr namens Simon offensichtlich gar keinen Blick hat.
Sie trat an Jesus heran, weinte und fing an, seine Füße mit Tränen zu benetzen und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen, und küsste seine Füße und salbte sie mit Salböl.
Als aber das der Pharisäer sah, der ihn eingeladen hatte, sprach er bei sich selbst und sagte: Wenn dieser ein Prophet wäre, so wüsste er, was für eine Frau das ist, die ihn anrührt; denn sie ist eine Sünderin.
Nein, sie ist eine Gerechte. Sie tut gerade das, was recht ist, tut Jesus etwas Gutes. Es fällt bis dahin kein Wort zwischen ihr und ihm.
Und er wandte sich zu der Frau und sprach zu Simon: Siehst du diese Frau? Ich bin in dein Haus gekommen; du hast mir kein Wasser für meine Füße gegeben; diese aber hat meine Füße mit Tränen benetzt und mit ihren Haaren getrocknet.
Du hast mir keinen Kuss gegeben; diese aber hat, seit ich hereingekommen bin, nicht abgelassen, meine Füße zu küssen.
Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt; sie aber hat meine Füße mit Salböl gesalbt.
Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel Liebe gezeigt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig.
Und er sprach zu ihr: Dir sind deine Sünden vergeben.
Hat sie mehr Sünden als andere? Davon ist nicht die Rede. Das könnte natürlich jemand denken, der in dieser Frau eine Prostituierte sieht.
Wovon aber die Rede ist, das ist die Liebe. Sie hat viel Liebe gezeigt. Und in der Begegnung mit Jeses war ihr das Kostbare Öl gerade gut genug. Ja, vielleicht hat sie viel Liebe gezeigt Männern gegenüber, die sonst zu wenig Liebe bekommen haben. Auf jeden Fall ist sie Jesus lieb voll begegnet, vielleicht weil das ihrer Wesensart entsprach, vielleicht weil sie selbst viel Liebe empfangen hat.
Und da bin ich in unserer Gegenwart, in unserer Welt in der es gewiss zu wenig Liebe gibt, aber zu viel Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit und das vor allem von Männern.
Männer kaufen Frauen / Männer stehen ständig unter Strom
Männer baggern wie blöde / Männer lügen am Telefon
Oh Männer sind allzeit bereit ... sie kennen das Lied vielleicht.
Ja, Männer konstruieren Raketen, machen Rüstungsgeschäfte, wollen siegen, wollen zum Mond als ob die Erde nicht ausreichend wäre, sich als Mensch zu beweisen.
Gewiss, das ist sehr pauschal, aber den einen oder anderen erkennt man wieder, der eine oder andere erkennt sich selbst wieder.
Mir sind Maria (Maria von Magdala - die vermutliche Frau in unserem Text) und Johanna, die Frau des Chuzas, eines Verwalters des Herodes, und Susanna (von denen bei Lukas anschließend die Rede ist) und viele andere genannte und ungenannte Jüngerinnen Jesu mit ihren Fehlern, ihrer Unvollkommenheit, aber ihrer hingebungsvollen Liebe die eigentlichen Vorbilder. Von ihnen zu lernen, von ihrer Art zu dienen und zu lieben, scheint in den Evangelien nur durch. Nicht zuletzt sind es am Grab Jesu Frauen die ihm einen letzten Liebesdienst erweisen wollten. Von diesen Frauen müsste nach meinem Gefühl in den Evangelien mehr die Rede sein.
Nun immerhin, heute stand jene namenlose aber herausragende Frau im Mittelpunkt, von dem auch die anderen Evangelisten reden. Jeder hat auf seine Weise eine, vielleicht muss man sogar sagen, sexistische Sicht, auf diese Frau.
Im Blick auf den Ehebruch, um den es aber in unserem Text gar nicht geht, allerdings in einer Episode, die Johannes aufgeschrieben hat, heißt es gar: Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Eine starke Zurückweisung aller, die sich für gerecht empfinden, und dabei so wenig lieben.
Bei Lukas endet die Begegnung mit dem Abschiedswort Jesu: Dein Glaube hat dir geholfen; geh hin in Frieden!
Was für ein Glaube ist das. Nun der Glaube an Jesus, so meinen die Kommentare. Und auch hier hätte ich es lieber etwas konkreter, etwas weniger "sonntagspredigend", nämlich ganz einfach:
Der Glaube an Jesus ist für mich der Glaube an einen, der geliebt hat, anderen in liebender weise begegnet ist, keine Frau und keinen Mann verurteilt hätte, weil er oder sie unschickliche Liebesbeziehungen unterhält, vielmehr vorgelebt hat, wie das geht, einander gerecht werden.
Für mich hat Jesus selbst in bisher unübertroffener Weise das Heilvolle verkörpert, das Gott selbst ist: die hingebungsvolle allumfassende Liebe. Amen.