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Predigt zu Johannes 12,12ff
Das Lied und damit der Gedanke vom Kreuz auf Jesu Schulter passt so gar nicht richtig zum Evangelium von Jesu Einzug in Jerusalem. Und das nicht erst heute. Schon damals haben es die Jünger Jesu gar nicht hören wollen und erst recht nicht verstanden, wenn Jesus von dem sprach, was auf ihn zukommen würde. Und ich glaube Jesus hat es auch nicht gemeint im Sinne, er wüsste um alles und folge nur einem Drehbuch. Ich glaube Jesus hat die Folgen seines Redens und Tuns realistisch eingeschätzt und eher erwartet, was kommen wird.
Und so versuche ich mich in einen der Jünger Jesu hinein zu versetzen, der all das miterlebt und gewiss nicht so weit vorausgeschaut hat.
Was Jesu nur hat? Ich versteh nicht was er immer redet von wegen: bald werde ich nicht mehr bei euch sein. Oder der Menschensohn muss viel leiden bevor er verherrlicht werde. Diese Reden verstehe ich nicht. Und heute: die Sonne strahlt, Hunderte sind gekommen. Die ganze Straße ist voll von Menschen. Und jetzt werfen sie Palmzweige auf den Weg und jubeln ihm zu und stimmen ein in den Gesang: Hosianna! Gelobt sei, der Kommende! – Zum ersten Mal haben sie den Mut, das so deutlich zu sagen, jenen Geheimnamen für den Messias: der Kommende. Viele lassen sich mitreißen und jubeln. Auch die, die gar nicht so überzeugt sind, aber was gibt man nicht alles auf ein Fünkchen Hoffnung auf bessere Zeiten.
Da kann sich Jesus doch freuen. Er wird verehrt wie ein König! Klar, wer solche Wunder tut, das Blinde sehen, Taube hören, Lahme gehen, ja sogar das Tote wieder ein neues Leben beginnen, wer solche Wunder vollbringt, der wird auch die Römer das Fürchten lernen. Der wird als Sieger aus der Geschichte hervorgehen.
Doch was macht er jetzt. Jesus bleibt plötzlich stehen. Er geht an die Seite und – ja jetzt ist es genau zu sehen, er hat plötzlich einen jungen Esel. Auf den setzt er sich und reitet weiter. Das verstehe wer will. Also wenn Jesu auf einem Pferd reiten würde, wenn er in einem Streitwagen fahren würde, ja dann wäre das ein klares Zeichen an alle, ein Zeichen zum Aufstand gegen die Herrschenden jetzt und hier.
Aber er setzt sich auf einen Esel. Damit kann man doch keinen Krieg gewinnen! Mit einem Esel kann man keinen Krieg gewinnen, kann nicht in den Krieg ziehen …
Ja jetzt ahne ich, was er will. Ich ahne, er will ein ganz anderer sein,
ein ganz anderer König als der, dem hier alle zujubeln.
Hatte nicht der Prophet Sacharja so etwas gesagt: „Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.“
Ein Friedenskönig will er sein, einer der ohne Gewalt die Welt verändert.
Ohne Gewalt, denn mit einem Esel ist kein Krieg möglich. Mindestens Maultiere müsste man haben, die sind kriegstauglich aber Esel nicht, die sind viel zu störrisch, junge Esel erst recht.
Aber wenn Jesus ohne Gewalt etwas ändern will, wie soll er das machen. Wie soll man denn die, die grausam herrschen, wie soll man die, die andere unterdrücken, die unzählige Gelder für Rüstung ausgeben, die Atombomben bauen und offen mit ihnen drohen, wie soll man die in ihre Schranken weisen?
Wie soll man die Konzernvorsteher, und jene, die über die Streikenden nur lachen, weil sie selbst nicht betroffen sind und in ihren Luxuslimousinen chauffiert werden, wie soll man zumindest all jene, die skrupellos nur auf ihren Gewinn aus sind in die in ihre Schranken weisen?
Jesus sind doch da auch schon mal die Nerven durch gegangen – erinnert ihr euch? Vor ein paar Tagen hat er die Tische der Geldwechsler im Tempel umgeworfen und sie hinausgetrieben und sie angeschrien. So hatte ich Jesus noch nie erlebt. Da dachte ich: Jetzt endlich geht es los.
Alle dachten das bis eben. Darum auch dieser Jubel. Und nun reitet er auf einem Esel. Er hat es sich wohl anders überlegt. Die meisten jubeln weiter und bekommen das gar nicht mit. Was hat Jesus vor?
Ich bekomme langsam auch eine Ahnung davon, wie das weiter gehen wird: Dort am Rande stehen schon einige von der jüdischen Obrigkeit. Die beobachten das Ganze ziemlich genau. Und sie wissen, dass Jesus nicht der ist, auf den sie setzen können. Sie verlassen sich lieber auf die Römer, die sitzen fest genug im Sattel. Und sie haben Angst um ihren eigenen Einfluss, um ihre Position. Darum werden sie alles daransetzen, dass dieser Jesus, der immer wieder für Unruhe sorgt, verschwindet.
Und dann werden sie vielleicht etwas anzetteln, irgendeinen Vorwand finden, falsche Nachrichten in die Welt setzen und ihn verhaften lassen. Und wenn er erst verhaftet ist, dann werden sie ihm den Prozess machen und noch bevor die Leute zur Besinnung kommen, werden sie ihn hängen. Ich ahne, so wird es kommen. Was soll ich nur machen? Wenn sie ihn gefangen nehmen, dann ist alle Hoffnung am Ende.
Was hättet ihr an meiner Stelle gemacht? So besonders mutig bin ich nicht. Ich bewundere da einen wie Petrus. Der hält nicht hinterm Berg, zieht auch mal sein Schwert um Jesus zu verteidigen. Manchmal spüre ich auch aggressive Tendenzen und denke: jetzt müsste mal einer kommen und… aber wohin würde das führen?
Bis zu dieser Frage, liebe Gemeinde hätte einer der Freunde Jesu, der das miterlebt hat, ja kommen können.
Ich weiß nicht, ob die Jünger darüber gesprochen haben, nachdem, was dann alles geschah. Ich weiß nicht, ob sie sich diese Frage gestellt haben, wohin es geführt hätte, wenn Jesus gleich einem weltlichen König gehandelt und womöglich in den Krieg gezogen wäre.
Eine Frage aber, die wir uns stellen können.
Wie wäre die Geschichte Jesu anders weiter gegangen. Sie hätten vielleicht einen Aufstand gegen die Römer gewonnen, hätten vielleicht die Herrschenden davongejagt und gesiegt. Und dann? Dann wären neue Herrschende gekommen – es wäre alles immer so weiter gegangen.
Und jetzt ließe sich ja einwenden: Es geht so oder so immer alles weiter mit Streit und Hass und Krieg.
Aber wisst ihr, was ich glaube? Ich glaube Jesus ist nach Jerusalem gegangen für einen ganz anderen Sieg. Man kann diesen Sieg eigentlich gar nicht als Sieg im herkömmlichen Sinn bezeichnen.
Es ist eher eine Niederlage, ein Verzicht, der dennoch das Größte ist, wozu ein Mensch in der Lage ist:
Jesus hat in hingebungsvoller Liebe sein Leben für andere gegeben.
Das klingt sehr vertraut und oft gepredigt, aber ist dennoch mehr als eine bloße Bekenntnisformel. Denn diese Hingabe ist doch etwas, das uns zeigt, dass es Menschen möglich ist, von sich selbst abzusehen, auf Gewalt zu verzichten, selbst wenn es das eigene Leben kostet. Jesus hat auf Gewalt und Macht verzichtet.
Wenn ich heute am Palmsonntag jubeln kann, dann darüber, dass es in der menschlichen Geschichte, die von Gewalt und Machtspielen geprägt ist, immer noch Menschen gibt, die wie Jesus es vorgelebt hat, Menschlichkeit bewahren, die den Macht- und Hassgefühlen nicht nachgeben, die nicht auf Gewalt setzen, die aus Liebe handeln, die gegen allen Augenschein hoffen.
Und zu jenen möchte ich gehören. Amen.