Auf ein Wort / Lesepredigten
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Predigt zu Lukas 10, 25ff
Liebe Gemeinde!
Na die Geschichte hat doch so einen langen Bart! – meinte eine unserer Töchter, die nun wahrlich inzwischen alles andere liest als die Bibel. Aber diese Geschichte kennt sie. Diese Geschichte kennen doch alle. Die Geschichte vom barmherzigen Samariter.
Die Geschichte kennen ist das eine, aber danach leben, ist das andere!
Ich helfe gern anderen, entgegnete sie und ich bin immer freundlich zu allen – da musste sie selbst lachen, weil sie wusste, dass es so nicht ist.
Es ist nicht so. Es ist nicht einfach das Gute zu tun, auch wenn ich darum weiß.
Wir alle kennen die Geschichte vom barmherzigen Samariter und ich könnte es heute kurz machen und Amen sagen.
Das tue ich nicht, wie Sie ahnen, denn ich mute uns zu, mehr als die vordergründige Aussage der Geschichte, die allen bekannte Pointe gar mit dem erhobenen moralischen Zeigefinger zu wiederholen, ich mute uns zu, Ihnen wie mir, in die Geschichte hineinzugehen, in die handelnden Personen. Ich mute es uns zu, auch weil sie, wie eben gehört noch eine nicht nur moralische, sondern auch antijüdische Tendenz hat.
So wie die Erzählung Jesu in das Gespräch mit dem Gesetzeslehrer verpackt ist, ließe sich auch ableiten: Ja, ein Samariter, ein Nichtjude hat eben geholfen und so sollen wir Christen auch sein.
Entgegen also dem oberflächlich moralischen und gar antijüdischen Tendenzen nun der Versuch einer anderen Erkenntnis. Dazu begegne ich den Personen dieser Episode:
Der Priester - mit niemandem hat er je darüber gesprochen. Nur in ihm selbst war jedes Mal, wenn er wie jede Woche diesen Weg von Jerusalem nach Jericho ging, immer wieder das Bild des am Boden liegenden Mannes, der blutete und stöhnte, deutlich vor Augen. Und jedes Mal kam diese Anfrage, die Anklage wieder: Warum hast du das gemacht? Warum bist du vorüber gegangen?
Und das Schlimmste: eigentlich konnte er es selbst nicht sagen. Gut, da gab es vordergründige Erklärungen: er wurde in Jericho erwartet und wollte sich nicht verspäten. Er war gut angezogen und wollte sich nicht beschmutzen. Er hatte so etwas noch nie erlebt und wusste gar nicht, wie man erste Hilfe leistet. Aber waren das die wirklichen Begründungen?
Wenn er ehrlich war – nur zu sich selbst -, dann war der Grund vorüberzugehen, noch ein anderer gewesen: er wollte damit nichts zu tun haben. Es ging ihn nichts an. „Ich weiß doch gar nicht, was hier passiert ist. Ich kenne den Verletzten doch gar nicht. Ich lasse mich doch nicht einfach so aus dem Takt meines Alltags bringen. “ Das hatte er gedacht, mehr noch gespürt, als er seine Schritte beschleunigte, um schnell von der Stelle wegzukommen, wo der Überfallene lag.
Beklemmend unangenehm wurde es, als der Küster, der denselben Weg ging, ihn einholte. Der hatte wohl noch schneller als er selbst die Unglücksstelle passiert, vor Schreck, vor Angst, vor Zweifel, was zu tun wäre. Ohne ein Wort zu wechseln begegneten sich ihre Blicke, und jeder wusste vom Anderen: Auch du. Auch du hast nicht geholfen. Auch du bist vorbeigegangen. Diese brennende und wortlose Scham verband sie seitdem. Und seit diesem Tag konnten sie einander nicht mehr leiden.
Beiden war nämlich in ihrer Begegnung klar geworden: es ist so erschreckend normal, vorüber zu gehen. Es fällt so leicht.
Glasklar erinnert er sich noch an den Moment auf ihrem nun gemeinsamen Weg, als ihm und dem Küster der Fremde entgegenkam. Auf einem Esel ritt er den steilen Weg nach Jerusalem bergan, hinauf, dorthin, wo sie beide, jeder für sich, den Schwerverletzten hatten liegen lassen. Wenn er überhaupt noch am Leben ist, dann wird dieser Fremde seine letzte Rettung sein.
Der Fremde, ein Mann aus Samaria, er lässt sich aus dem Takt bringen. Ihn jammert. Jammern – den Schmerz mitfühlen, aber mehr ist es bei ihm, es ist nicht nur ein Mitleiden, sondern Erbarmen. Mitleiden wäre etwas durchaus Aktives, aber etwas, wo ich bei mir bleibe, im Gegensatz zu erbarmen. Erbarmen, abarmen (ahdt) meint immer den anderen. Es meint, einen erbarmungswürdigen Zustand abschaffen. Das ist etwas sehr Aktives im Miteinander. Jener Fremde erbarmt sich. Indem er sich erbarmt, ändert er etwas.
Aber (so hat die Geschichte ein Zeitungsredakteur weitergesponnen) wie ergeht es dem Mann aus Samaria. Er kehrte heim zu seinem Weibe und Kind. Und sein Weib sagte zu ihm: Du kommst spät. Unser Geschäft läuft schlecht, weil du zu lange fort warst. Unsere Silberhochzeit hast du auch vergessen. Und dein Sohn ist in schlechte Gesellschaft geraten.
Ja, so einfach ist das mit gelebter Nächstenliebe nicht. Und ich kenne das. Wenn ich mich für eine Sache oder jemanden anderes einsetze entziehe ich ein Stück von mir eben auch anderen wichtigen Menschen z.B. meiner Familie.
Und so erkenne ich mich zwar prinzipiell in dem Mann aus Samaria, das ich gleich ihm helfen, aber wohl vor einem ähnlichen Dilemma stehen würde.
Und ich erkenne mich in den beiden andern wieder, das es eben Gründe gibt, die mich vorbei gehen lassen, die mich Hilfsersuchen in den Papierkorb werfen lassen.
Aber es gibt noch einen in der Episode, der noch gar nicht zu Wort gekommen ist, der Überfallene selbst:
Ja, so höre ich ihn, es war natürlich leichtsinnig, diesen Weg allein zu gehen. Ich wusste um die Gefährlichkeit dieser Straße. Ich wollte aber nicht warten, bis andere mitgehen. Und es ging ja auch bisher gut. Nun hatte ich eben Pech. Und als ich so da lag, dachte ich wer wird mir helfen. Das muss ja selbst ein Verrückter sein. Mein Zustand könnte ja vorgetäuscht sein um jemanden anzulocken oder der mir Helfende könnte auch überfallen werden. Nein, ich kann es keinem verdenken, der weiter gegangen ist. Aber um Hilfe hab´ ich dennoch gerufen. Und dann, als ich schon dachte, dass ich sterbe, kam dieser Mann. Ein Fremder, irgendwie ein Verrückter dachte ich später, der auch noch von seinem Geld gab, um mich von dem Wirt pflegen zu lassen.
Wer ist so verrückt? Weißt du, so höre ich ihn, so verrückt, unter Umständen so viel zu bezahlen wie er selbst hat, sich für einen anderen so einzusetzen, so verrückt sind nur wenige, vielleicht sogar nur einer:
Gott selbst ist so einer, der zeigt, dass man die Wirklichkeit dieser Welt mit ihren Überfallenen, ihren Geschlagenen, ihren bedrohten Menschen verrücken kann, ja verrücken muss.
Ja, denke ich, Gott hat mit dieser Verrücktheit Menschen angesteckt. So ein Verrückter war Jesus, der ja diese verrückte Geschichte erzählt. Und so verrückt kann auch ich sein.
Und ja, es gibt nicht für alle Situationen eine Antwort, ich kann nicht auf alle Fälle des Lebens vorbereitet sein.
Eins aber kann ich, ich kann versuchen offenen Ohres zu sein, offen zu sein für das, was mir auf dem Weg begegnet. Offen sein für andere auch wissend, dass ich manchmal keine rechten Worte finde, dass ich nicht weiß, was zu tun ist, dass ich an einem, der mich braucht achtlos oder gedankenverloren vorüber gehe, dass ich womöglich versage und enttäusche.
Um das Versagen wissend, will ich dennoch versuchen, wieder loszugehen und offen zu sein.
Gehe hin und tue des Gleichen, sei barmherzig – so endet das Gespräch Jesu mit dem Schriftgelehrten.
Es ist die Antwort auf die Ausgangsfrage: Was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?
Diese Frage ist eine der zentralen Fragen jüdischer Theologie und wird ja an verschiedenen Stellen Jesu gestellt. Es ist die Frage oder gar Aufforderung der Schüler an ihren Lehrer: Rabbi, lehre uns die Wege des Lebens, das wir auf ihnen das Leben der zukünftigen Welt erlangen.
Ist das nicht eine wunderbare Aufforderung: Lehre uns die Wege des Lebens! Ist das nicht ein Lehrpfad, dieser Weg mit dem Überfallenen. Ist das nicht mein, unser aller Weg?
Amen.