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Predigt zu Stabat Mater, aufgeführt durch die Kantorei St. Marien
Das ihr Sohn nicht nach Hause kam, war keine Seltenheit. Immerhin war er schon längst erwachsen. Und dass er immer noch keine Frau hatte, zumindest nicht dass sie wüsste, daran hatte sie sich auch gewöhnt. Das er mit anderen durchs Land zog, keine feste Bleibe hatte, nun ja, das ist die Sturm- und Drangzeit. Seinen Beruf, den er gelernt hat, wer weiß, ob er ihn wieder ausgeübt hätte. Dabei hätte er gutes Geld verdienen können. Es hätte alles ganz anders verlaufen können, sein Leben und das unserer Familie. An all das dachte sie in diesem Augenblick nicht.
Dran hatte sie schon oft gedacht, nur heute nicht. Heute ist in ihr nichts außer Schmerz, unendlicher Schmerz.
Ein Schmerz, den alle Mütter spüren, wenn ihr Kind hoffnungslos allein ist, im Sterben ist, stirbt.
Sie war nur eine von vielen. Unzählige Mütter trauerten und trauern seither um ihre Kinder.
Nach allem Mühen um das Großwerden der Kinder, um das Bangen, dass sie ihren Weg finden, und auch nach all den Freuden, das Heranwachsen erlebt zu haben, die Freuden der eigenen Kinder teilen zu können, gemeinsam geweint und gelacht zu haben, Hoffnung auf Künftiges in sich zu tragen, plötzlich nichts mehr.
Der sinnlose Tod macht allem ein Ende.
Wut und Verzweiflung folgen der Ohnmacht. Suche nach Schuldigen: die Regierenden, Pilatus – nein, der wäscht seine Hände in Unschuld, die anderen, die Juden – pauschale Sündenböcke sind eine Lösung, am Ende Gott. Ist nicht Gott für alles verantwortlich?
Ich möchte heute nicht nach Verantwortlichkeiten fragen, für all das Leid, von dem wir täglich erfahren müssen. Grundsätzlich muss ich danach fragen, aber heute nicht.
Heute will ich mich gemäß der erklungenen Worte von Stabat Mater in Mitleidenschaft ziehen lassen.
In der Passion Jesu zeigt sich mir die grundlegende Wahrheit, dass es für Menschen kein Leben und keine Zukunft gibt, wenn es nicht immer wieder die Bereitschaft gibt, sich in Mitleidenschaft ziehen zu lassen und damit den Mächtigen zu widerstehen und sich an die Seite der Leidenden, Weinenden, Trauernden zu stellen.
Sich in Mitleidenschaft ziehen zu lassen, das heißt für das Leben, vor allem für das Leben anderer eintreten, das heißt damit auch Gegnerschaft ernten, nämlich derer, die sich mit ihrem Wohlstand und der Armut anderer, gegeben falls deren Deportation und letztlich mit deren Tod abfinden.
Ein anderes Wort für diese Mitleidenschaft ist Zivilcourage.
Menschen, die das Menschenverachtende anderer entlarven und sich für das Leben einsetzen mit ihrer kleinen Kraft, solche Menschen können wir sein.
Und wir können Menschen sein, die letztlich auch in ihrer Ohnmacht auf Gott vertrauen, so wie Jesus auf Gott vertraute, denn, so hat es Matthäus in seiner Passionsgeschichte erzählt, ruft Jesus im Sterben nicht irgendetwas, oder schwieg gar, nein er rief zu Gott mit den Worten des 22. Psalms: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Wenn einer das ruft, dann vertraut er dass der Angerufene hört.
Darauf will auch ich vertrauen, daran glaube ich. Amen.