Auf ein Wort / Lesepredigten
1. Advent_2024
Predigt zu Matthäus 21
Liebe Gemeinde!
Legen Sie Wert auf Äußerlichkeiten? Ich muss das schon von Berufswegen tun, wie Sie sehen. Abgesehen vom Talar ist heute am 1. Advent ist Farbenwechsel – Violett statt grün bzw. weiß. Violett ist – Farbe der Einkehr.
Ich glaube Jesus legte auch Wert darauf, vielleicht nicht so sehr auf die passende liturgische Farbe, mehr darauf, wie er vor die Menschen trat. Er kam nicht mit dem Wagen vorgefahren.
Vielmehr scheute es nicht, seinen Jüngern dafür einige Mühen zu machen:
Geht hin in das Dorf, so sprach Jesus zu zwei Jüngern, und bringt einen Esel und sein Füllen zu mir.
Warum das nun, werden die Männer wohl gedacht haben.
Sie haben´s auch nicht gleich verstanden, obwohl sie alle die Verheißung gekannt haben.
Wenn schon reiten, so können wir Jesus doch ein ordentliches Pferd besorgen oder wenigstens ein Maultier, haben sie vielleicht zueinander gesagt. In alter Zeit ritten die Könige Israels auch auf Eseln, dann wurden es unter David Maultiere. Zeichen königlicher Macht und Widerstandskraft. Und so ein Pferd, wie es der römische Statthalter hat, so ein richtiges Schlachtross wäre ein noch machtvolleres Zeichen. Hoch zu Pferd wie die Mächtigen heute einziehen, das wäre es. Aber genau das will Jesus nicht, wird ihnen dann bewusst geworden sein. Er will nicht hoch zu Roß reiten wie die Stadthalter Roms. Er will den Menschen ein Zeichen setzen. In alter Tradition Israels will er kommen. Und vorallem will er kommen als ein anderer König: als Friedefürst!
So gingen sie hin und taten wie Jesus ihnen gesagt hatte.
Und er setzte sich darauf. Und alle, die Augen hatten zu sehen und alle, die die Worte der Propheten im Ohr hatten sahen und priesen Gott:
Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!
Und jene, die über das Gesehene nachdachten, merkten, was Jesus damit ausdrücken wollte: Keine Gewalt! Keine Machtansprüche wie die Römer. Keine kriegerische Kampfansage.
Das hat nicht allen gefallen. Vor allem jenen nicht, die sich vom Imperium der Römer befreien wollten, Jene, die mit Attentaten und Gewalt die Römer mürbe machen wollten. Umso härter gingen die Römer gegen sie vor und schließlich gegen alle, die irgendwie verdächtig waren, nicht Staatskonform zu sein. Sicher gab es jene auch in der Christengemeinde und unter den Juden in Rom, die auf einen gewaltsamen Umbruch hofften.
Das Friedensreich Gottes, ja das wollen wir alle, sagten sie, aber der Weg dahin. Ihr seht doch, mit friedlichen Mitteln ist nicht viel zu erreichen.
Es ist Zeit den Römern zu widerstehen!
Und jene, die eher den Aufstand vor Augen hatten, merkten auch, dass sie sich in Jesus getäuscht hatten.
Das Bild des auf einem Esel sitzenden offensichtlich Machtlosen oder zumindest auf Macht Verzichtenden, ist ein radikaler Gegenentwurf zu ihrer Vorstellung des kommenden Messias.
Mit Macht und Gewalt die Welt zu verändern, denn das geht auf einem Esel reitend nicht.
Er will die Welt ganz anders ändern und er hat sie geändert:
Ohne Macht die Welt verändern. Das ist die Botschaft dieses alten Textes, das ist das Credo des Jesus von N.
Auch wenn ich nicht in der Rolle eines Politikers bin, gilt doch die Botschaft Jesu auch für mich, für uns alle.
Und so ist der Gedankengang, der mich heute am 1. Advent bewegt, nicht zuerst ein weltpolitischer, sondern ein persönlicher, sozusagen eine innere Einkehr – passend zum Advent – Zeit der Einkehr.
Ohne Macht die Welt verändern, bedeutet für mich: Verzicht auf das Durchsetzen allein meiner Vorstellungen gegenüber anderen.
Darauf will ich mich besinnen, gerade weil die Macht des eigenen Egos eben stark ist. Wie also?
Da kam mir wieder dieser schöne Gedankengang in den Sinn mit dem Blick in den Kleiderschrank.
Was ziehe ich an? Oft denke ich da nicht wirklich drüber nach am Morgen. Die alten Kleider liegen noch da. ‚Zieh uns an, ‘ sagen sie. ‚Wir haben uns bewährt. ‘ Ich nehme sie in die Hand. Ich schnüffle daran. Sie riechen. Sie riechen verbraucht. Ihnen fehlt der Wohlgeruch der Liebe. Die alten Kleider: da ist das Streithemd und die Eifersuchtshose. Und da ist die Lügensocke. Ich habe die alle getragen, es sind alles meine Kleider. Und da sind noch einige andere. Sie passen gut. Nach wie vor.
Ich schaue auf das Etikett. Sie stammen alle von einem Hersteller: Epithymia. Ein schöner Name für eine Bekleidungsfirma, denke ich. Auf der Rückseite sehe ich die deutsche Übersetzung: Begierde. Statt der Waschanleitung steht da noch mehr: Ich und immer nur Ich. Mein Egoismus, der Blick auf mein Wohlergehen. Ich zuerst, egal, was es mit den anderen macht.
Alte Kleider, sie passen gut. Soll ich sie heute wieder anziehen?
Es klopft an die Tür. ‚Du weißt nicht, was du anziehen sollst. Schau ich bring dir neue Kleider.‘ Ich schaue auf. Ich erkenne den Boten nicht: ‚Wer schickt dich? ‘
‚Ich komme von selbst. Ich bin der Hersteller.‘
Er reicht mir die neuen Kleider. Sie riechen gut. Sie duften. Ich schaue auf das Etikett. Ein Stern. Agape steht da. So also heißt der Hersteller. Auf der Rückseite steht: ‚Liebe‘. Sonst nichts. Einfach ‚Liebe‘.
‚Mit diesen Kleidern kommst du gut durch den Tag,‘ sagt der Bote. ‚Egal, was kommt, die Kleider passen,‘ sagt er.
Ich schlüpfe hinein. Der Bote ist verschwunden. Die alten Kleider liegen in der Ecke. Ich schaue in den Spiegel. Die neuen Kleider stehen mir besser, und sie fühlen sich gut an. Sie verströmen den Wohlgeruch der Liebe.
Dort wo der Bote eben noch war leuchtet der Adventsstern.
So will ich, trotz allem, was schwer sein wird, in den neuen Tag, in die neue Zeit gehen, die heute anbricht.
Amen.