Auf ein Wort / Lesepredigten
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Exaudi 2023
Quasimodogeniti 2023
Predigt zu 1. Mose 32, 23-32 am 16. April 2023
Ungläubig war er freilich nicht, von dem heute zu erzählen ist, aber mit Gott hatte er im Grunde dennoch kaum etwas zu tun, außer das übliche traditionelle, was so in seiner Familie dran war.
Seine Familie, die kann man als ziemlich streng gläubig, vielleicht sogar orthodox bezeichnen. Die Rollen waren auch traditionell verteilt. Und so war von Anfang an auch klar, wer an der Spitze und wer am Ende der Nahrungskette steht. Genau so hat es ihm sein Bruder immer mal gern vor die Nase gehalten.
Er hatte sich eben unter seinen älteren, genauer gesagt erstgeborenen Bruder und natürlich unter seinen Vater unterzuordnen. Das aber nicht nur, weil er der zuletzt geborene war, also nach seinem Bruder kam und immer nur der zweite war, sondern auch weil er von seiner Art in den Augen seines Vaters und anderer eher als Muttersöhnchen galt.
Immer der Zweite zu sein, das ärgerte ihn schon sehr. Das „Muttersöhnchen“ störte ihn aber nicht. Im Gegenteil. Bei der Mutter konnte er viel lernen. Zum Beispiel wie man kochte. Aus nichts was machen, das hatte er gelernt. Und es kam der Tag, an dem er es sich zunutze machte und so seinen Anspruch durchsetzte.
Es ging um das Erbe, darum, wer in Zukunft das Sagen hatte.
Sein Bruder, der im Denken nicht der Hellste war, dachte mitunter eben auch nicht nach, was seine Entscheidungen für Konsequenzen haben. So auch an dem Tag, als er nach Hause kam, mächtig Hunger hatte, seinen Bruder in Schürze am Herd stehen sah. Bei diesem Anblick lächelte er etwas abschätzig, doch das Menü wollte er gern haben – klar kriegst Du, für Dein Wort, dass ich nun endlich mal vor Dir bin.
Versprochen und jetzt lass mich nicht länger hungrig sein, antwortete der Bruder.
So nahm die Geschichte eines Betrugs um das Erbe und fast noch wichtiger um den Zuspruch des Vaters seinen Lauf.
Schließlich floh er, der Betrüger. Nachts lag er hart auf einem Stein. Da hatte er jenen merkwürdigen Traum, der aber alles veränderte.
Es war das erste Mal, dass er Gott so deutlich spürte, wie nie vorher. Und das merkwürdige an diesem Traum war, dass er sich nicht allein fühlte.
Am nächsten Morgen ging er irgendwie erleichtert seinen Weg.
Er wollte alles hinter sich lassen, alle Schuld – und er hatte seinem Bruder und auch seinem Vater – der es vielleicht sogar merkte – übel mitgespielt.
Aber sei es drum. Er wollte eben die Vergangenheit hinter sich lassen. Und dann wurde es eigentlich immer besser. Er heiratete die schönste Frau, wie er sagte. Er kam zu Reichtum und Wohlstand, mehr als er sich je hatte träumen lassen.
Und viele beneideten ihn.
Über den Preis aber und seinen Weg bis dahin sprach er nie. Wie hätte er auch davon sprechen können, dass er seinen Bruder betrogen hatte, seinen Vater ebenso. Wie hätte er, der Erfolgreiche eingestehen können, dass er im Grunde immer wieder nachts hochschreckte und an all die Geschichten denken musste. Was wissen denn die anderen darüber, was es ihn gekostet hat, seine Geschichte zu verleugnen, und dass sie ihn aber immer wieder einholt, nachts in seinen Träumen und tags in seiner Familie, in der nicht über Vergangenes gesprochen werden darf.
Innerlich ist er noch immer auf der Flucht, auf der Flucht vor seinem schlechten Gewissen. Und nichts fürchtet er mehr, als eine Widerbegegnung mit seinem Bruder.
Aber genau dazu wird es kommen, dazu muss es kommen, das ist ihm irgendwann klar geworden. Für sein Leben, sein Ansehen aber mehr noch für ihn selbst, seine Seele ist es wichtig die Vergangenheit zu klären. So oder so. Entweder er oder ich. Diese Frage muss beantwortet werden.
Und so macht er sich erneut auf den Weg. Dann geschieht das Unerwartete:
Es widerfuhr ihm, von dem später alle wissen und mit dessen Name diese Geschichte von Betrug, Flucht und Kampf immer verbunden bleibt: Jakob, so heißt er. Jakob, der Sohn Isaaks und Rebekkas, der Bruder des Esau, den Jakob um sein Erstgeburtsrecht betrogen hatte.
Es widerfuhr Jakob in der Nacht.
Mitten in der Nacht stand Jakob auf und überquerte den Fluss Jabbok an einer seichten Stelle, zusammen mit seinen beiden Frauen, den beiden Mägden und den elf Kindern.
24 Auch seinen Besitz brachte er auf die andere Seite.
25 Nur er blieb noch allein zurück. Plötzlich stellte sich ihm ein Mann entgegen und kämpfte mit ihm bis zum Morgengrauen.
26 Als der Mann merkte, dass er Jakob nicht besiegen konnte, gab er ihm einen so harten Schlag auf das Hüftgelenk, dass es ausgerenkt wurde.
27 Dann bat er: »Lass mich los, der Morgen dämmert schon!« Aber Jakob erwiderte: »Ich lasse dich nicht eher los, bis du mich gesegnet hast!«
28 »Wie heißt du?«, fragte der Mann. Als Jakob seinen Namen nannte,
29 sagte der Mann: »Von jetzt an sollst du nicht mehr Jakob heißen. Du hast schon mit Gott und mit Menschen gekämpft und immer gesiegt. Darum heißt du von jetzt an Israel (›Gotteskämpfer‹[1]).«
30 »Wie ist denn dein Name?«, fragte Jakob zurück. »Warum willst du das wissen?«, entgegnete der Mann nur, dann segnete er ihn.
31 »Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen, und trotzdem lebe ich noch!«, rief Jakob. Darum nannte er den Ort Pnuël (»Gesicht Gottes«).
32 Die Sonne ging gerade auf, als Jakob weiterzog. Er hinkte, weil seine Hüfte ausgerenkt war.
Sein inneres Ringen über all die Jahre wurde mit einem Schlag existentiell: Bis hierher und nicht weiter – musste er schmerzlich spüren. Es war ein schmerzliches Ringen. Es war ein Kampf. Schuld und Versagen kannst du nicht einfach ablegen wie einen Mantel und dann ist alles gut. Schuld und Versagen gut werden zu lassen bedarf eines Kampfes, eines Ringens und das dauert. Es dauert mitunter ein Leben lang bis die Morgenröte anbricht.
Jakob zeigt mir, dass es nötig ist, dieses Ringen, das nicht ablassen von dem, der allein für Vergebung und Neuanfang einsteht.
Gezeichnet von ihm ist Jakob, er geht nicht unversehrt aus dem Ringen hervor. Es bleibt eine Wunde. Es bleibt eine Wunde wie bei Kain. Bei Jakob ist es die verletzte Hüfte, weshalb Menschen jüdischen Glaubens das Hüftstück eines Tieres nicht essen um sich daran zu erinnern.
Es bleibt eine Wunde. Für Christen ist es die Wunde in Jesus. Die ihm nachfolgten und schließlich um einen Neuanfang rangen haben diese Wunde immer vor Augen. Manch einer musste sie selbst fühlen, wie das heutige Evangelium erzählt.
Es ist kein machtvolles Hoheitszeichen, ein geschlagener, mindestens Verletzter zu sein, den alle an seiner Verletzung erkennen. Es ist kein machtvolles Hoheitszeichen, das da in und auf unseren Kirchen steht, das Kreuz das für den geschlagenen, gekreuzigten Jesus steht.
Was Jakob anbelangt, bekam er den Segen durch dieses Ringen.
Nur so gelang der Neuanfang. Von da an hieß er nicht mehr Jakob, dessen Name mit Betrug und Selbstsucht verbunden war, sondern Israel – der mit Gott rang.
Israel steht für den humpelnden und doch wieder aufrecht Gehenden.
So hat später das ganze Volk diesen identitätsstiftenden Namen: ein Volk, das nicht von Gott ablässt, wie sehr es auch geschlagen ist.
Ich verstehe mich als Christ, wurde auf den Namen Jesu getauft, was für mich bedeutet, dass ich den Spuren Jesu folgen will. Es gab Momente in meinem Leben, in denen ich mich nicht gern als Christ geoutet habe, in so manchen Momenten in meiner Schulzeit.
Es gab Momente, in denen ich darum ringen musste, nicht zu verzweifeln an Gott, nicht zu verzweifeln an Menschen, die sich auch als Christen verstehen und doch so wenig mit dem gemein haben, was ich mit christlicher Identität verstehe. Es gab und gibt Momente in denen ich mit meiner Kirche ringe und mitunter denke, ja ich gehöre dazu, aber nicht, weil ich als Pfarrer nun mal hier bin, sondern weil es Menschen gibt, mit denen ich mich in diesem Glauben verbunden fühle.
Von Gottes Glanz kann ich so mitunter nur ein Stück sehen, wie übrigens auch Jakob damals am Jabbok. Es war nach jüdischer Auslegung ein Engel Gottes, mit dem er rang.
Denn mehr als einen Blick auf den Abglanz Gottes in Gestalt eines Engels bekommen sterbliche Menschen von Gott nicht zu sehen.
So sehe ich ein Stück vom Abglanz Gottes in dem, was und wie Jesus gelebt hat. Ich sehe es in den Momenten in denen etwas heil wird, in dem sich versöhnen, die entzweit waren, in denen Schuld ausgesprochen, wiedergutgemacht, vergeben wird.
In solchen Momenten ist es wie neu geboren werden. Um solche heilvollen Momente bete und singe ich, bitte um Gottes Segen. Amen.